Seit fast zwei Jahrzehnten begleiten wir von IMAP unterschiedliche Verwaltungseinheiten in Deutschland. Die Veränderungsfähigkeit der Organisationseinheiten hängt dabei maßgeblich von der Qualität der Führung ab. In unserer Arbeit mit Führungskräften der Verwaltung haben wir auf Grundlage unserer langjährigen Erfahrungen sieben Merkmale guter Führung identifiziert:
1. Sich selbst kennen und reflektieren
Führungskräfte, die sich ihrer Stärken und Entwicklungsfelder bewusst sind, sind nicht überrascht oder überfordert, wenn Mitarbeitende ihnen diese im Verhalten oder in Worten spiegeln. Im Gegenteil— wenn sie die Selbstreflexion gewohnt sind, können diese Führungskräfte Feedback differenziert betrachten und darin einen wertvollen Lernmoment für die eigene Weiterentwicklung sehen. Die Führungskraft macht einen großen Schritt in Richtung einer lebendigen Feedbackkultur, indem er/sie den Mitarbeitenden vorlebt, dass Feedback zur Weiterentwicklung von Person und Organisation notwendig ist. Dabei kann die Führungskraft beispielsweise im Rahmen der jährlich stattfindenden Personalentwicklungs- oder Zielvereinbarungsgespräche die Mitarbeitenden nach Verbesserungsmöglichkeiten als Führungskraft fragen. So zeigt die Führungskraft, dass Feedback nicht als Bedrohung, sondern als Chance wahrgenommen werden kann.
2. Mitarbeitende kennen und in ihrer Entwicklung begleiten
Leistungsbereite, zufriedene und gesunde Mitarbeitende stellen den größten Schatz einer Organisation dar. Führungskräfte, die diese Ressourcen pflegen und wertschätzen, kennen ihre Belegschaft in der Regel ausgezeichnet. Sie wissen, wie alle drei Grundpfeiler—Leistung, Zufriedenheit, Gesundheit—gestärkt werden können und setzen sich aktiv dafür ein. Zum einen nutzt eine solche Führungskraft regelmäßig Kommunikationsformate, in welchen Mitarbeitende ihre jeweiligen Bedürfnisse für ein produktives Arbeiten reflektieren können. Auch in Phasen hoher Arbeitsbelastung werden diese Reflexionsräume gewahrt, damit Zuhören und Wahrnehmen stattfinden kann. Änderungsvorschläge werden in Maßnahmen umgewandelt und gemeinsam umgesetzt. Zum anderen werden so Leistungsziele regelmäßig von der Führungskraft angesprochen und durch Mitarbeitende eingeschätzt. Somit ist die jährliche Leistungsbeurteilung für die Mitarbeitenden vorhersehbarer und kann besser verarbeitet werden.
3. Sinnhaftigkeitsgefühl ausstrahlen
Mitarbeitende spüren, wenn ihre Vorgesetzten nicht hinter der Gesamtorganisation stehen, wenn sie nicht an den übergeordneten Auftrag oder gar die Daseinsberechtigung ihrer Verwaltungseinheit glauben. Wir treffen in unserer Arbeit immer wieder auf Führungskräfte, die eine ausgeprägte Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit sehen und auch daran interessiert sind, welchen Sinn ihre Mitarbeitenden in ihrem täglichen Tun sehen. Diese Führungskräfte kennen meistens nicht nur den gesetzlichen Auftrag ihrer Verwaltungseinheit, sondern ebenso die strategischen Ziele sowie ihre eigenen Spielräume, in denen sie aktiv mitgestalten können. Sie identifizieren sich mit dem Arbeitgeber und haben dadurch ein größeres Durchhaltevermögen in stressigen oder unsichereren Zeiten.
4. Fachliches Know-how einsetzen
Ob in einer kommunalen Ausländerbehörde, einem Bundesamt oder einer Landesbehörde: Gute Führungskräfte zeichnen sich durch ihre Fachkompetenzen aus; dies gilt für alle Hierarchieebenen. Wichtig ist, dass der Verantwortungsbereich von der Führungskraft inhaltlich eingeschätzt werden kann und diese im Fall von gesetzlichen Grauzonen oder Neuerungen eine fachlich fundierte Entscheidung treffen kann. Insbesondere bei Quereinsteiger*innen in die Verwaltung ist daher eine gute Einarbeitung in die Fachthematik unabdingbar; auch eine stetige fachliche Weiterentwicklung sollte bei allen Führungskräften gewährleistet sein. Nur so können auf Dauer die gesetzlichen Aufträge erfüllt und die strategischen Ziele der Behörde erreicht werden.
5. Umwelt im Blick behalten
Unsere Welt wandelt sich—teilweise noch bevor die unterschiedlichen Phänomena benannt und durchdrungen werden können. Globalisierung, Technologisierung, Migrationsbewegungen, Werteaushandlungen und andere globale Phänomene machen unsere Welt komplex bis hin zu chaotisch. Es gibt Führungskräfte, welche die Umwelt ihrer Verwaltungseinheit so im Blick behalten, dass sie Veränderungen antizipieren und im besten Fall präventiv für die Organisation agieren können. Wenn die Führungskraft beispielsweise mit einer vermehrten Zuwanderung konfrontiert wird, kann sie ihr Netzwerk frühzeitig so aktivieren, dass sich unterschiedliche Verwaltungseinheiten darauf mit adäquaten Ressourcen und Prozessen einstellen können. Wenn Digitalisierungsvorhaben anstehen, können diese Führungskräfte frühzeitig einen internen Dialog anstoßen, welcher die Chance birgt, an einer technologisierten Welt teilzunehmen und eigene Ressourcen bestenfalls schonen zu können. Auch dem Fachkräftemangel kann entschieden mit wirksamen Maßnahmen begegnet werden, wenn Personalverantwortliche frühzeitig Trends in der eigenen Organisation mit Nachwuchsgenerationen auf dem Arbeitsmarkt abstimmen. Wichtig beim Blick über den Tellerrand ist immer, dass Führungskräfte für ihre Verwaltungseinheit die richtigen Schlüsse ziehen und gezielt handeln.
6. Für politisches Umfeld sensibel sein
Führungskraft einer Verwaltung zu sein, bedeutet mehr als gesetzliche Aufträge umzusetzen oder Ansprüchen der Bürger*innen gerecht zu werden. Es bedarf insbesondere im Verwaltungskontext einer hohen politischen Sensibilität, um frühzeitig handlungsfähige und willige Allianzen für wichtige Themen aufbauen zu können. Auch die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden im Stadt- oder Landrat sollte aktiv und regelmäßig als Chance genutzt werden, um spezifische Vorhaben qualitativ im Sinne aller Bürger*innen zu verbessern. Insbesondere Querschnittsthemen wie Integration profitieren enorm von einem stringent und strategisch organisierten Dialog zwischen allen politischen Akteur*innen. Kompromisse, die Lösungsvorhaben zu stark verwässern, sind in diesem Dialog wenig hilfreich. Wichtiger ist eine langfristige Kollaboration—also wahrhaftige Zusammenarbeit unter unterschiedlich gesinnten Menschen—bei der Weiterentwicklung essenzieller Themen.
7. Anstecken, begeistern und motivieren
Das Wichtigste zum Schluss: Nur wer selbst für die Sache brennt, kann auch anderen dafür begeistern und motivieren. Für uns Außenstehende sind besonders solche Momente inspirierend, in denen Führungskräfte ungeahnte Kräfte in ihren Belegschaften mobilisieren, indem sie ihre eigene Überzeugung authentisch mit den eigenen Worten und dem eigenen Handeln teilen. Insbesondere in Zeiten großen Umbruchs und tiefgreifender Unsicherheit bringt dieses Merkmal eine gewisse Leichtigkeit in einen Gesamtprozess. Natürlich sollte die Führungskraft nicht die einzige Quelle für Begeisterung und Motivation sein, jedoch sollte sie diesen kraftvollen Aspekt nicht unterschätzen. Und wenn der Funke erst einmal übergesprungen ist, verteilt der sich in der Regel auch zwischen Mitarbeitenden, die ihre eigenen Überzeugungen wiederum anderen weitergeben. Somit können auch längere Durststrecken gemeinsam als Team überstanden werden.