Zwei Trends aus unserer Beratungspraxis
Im Rahmen unserer Beratungsarbeit sehen unsere Beraterinnen und Berater jeden Tag ganz unterschiedliche Organisationen im gesamten Bundesgebiet. Dabei beobachten wir seit einigen Monaten zwei große Trends:
1. Viele Organisationen treibt im Moment die Frage um: „Wie können wir in Zeiten des Fachkräftemangels neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen?“ Gerade in stark umkämpften Branchen, in denen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Arbeitsplatz aussuchen können, steigt der Druck auf Arbeitgeber: Welche Angebote können wir potenziellen Mitarbeitenden machen, um im Wettbewerb mit anderen zu bestehen? Dabei konzentrieren sich viele Organisationen auf die harten Faktoren, also Lohn, Extraleistungen etc. Den weichen Faktoren wird sehr viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Sie lassen sich schwerer herausstellen und werden oftmals mit austauschbaren Floskeln abgedeckt.
2. Der Fachkräftemangel, die Diversifizierung der Mitarbeiterschaft sowie die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle führen häufig auch zu Fragen der Mitarbeiterbindung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich stark mit einer Organisation identifizieren, kündigen nicht nur weniger, sie erbringen auch nachweislich die bessere Leistung und zeigen zusätzliches Engagement. Ähnlich wie bei der Mitarbeiterrekrutierung wird auch hier in der Praxis häufig über Lohn und Extraleistungen gesprochen. Empirisch lässt sich jedoch nicht belegen, dass eine höhere Bezahlung zu stärkerer Mitarbeiterbindung führt. Wertet man hingegen Kündigungsgründe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus, stellt man fest, dass eine Mehrzahl von Kündigungen wegen weicher Faktoren wie Führung oder Teamklima zu tun haben.
Was haben diese Trends gemeinsam? Zum einen geht es in beiden Fällen um die Beziehung zwischen Organisation und den (potenziellen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zum anderen werden in der Praxis sowohl bei der Rekrutierung als auch bei Bindungsfragen die weichen Faktoren vernachlässigt, obwohl sie mindestens ebenso wichtig sind, wie der Gehaltszettel.
Die Gefahren von unehrlichem Arbeitgebermarketing
An dieser Stelle setzt in der Regel das Arbeitgebermarketing von Organisationen an. Gutes Arbeitgebermarketing soll die Organisation nach außen attraktiv und unterscheidbar für potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen, nach innen soll sie die Identifikation der bestehenden Mitarbeiterschaft stärken. Oftmals ist dieses Arbeitgebermarketing jedoch zu unspezifisch oder zu austauschbar. Organisationen sind in der Regel gut darin, darzustellen was sie tun, leisten oder produzieren. Wie es sich jedoch anfühlt, in der Organisation zu arbeiten und wie die Beziehung zwischen Arbeitnehmer/innen und den Arbeitgeber/innen aussieht, wird oftmals wenig beleuchtet. Noch verheerender ist es jedoch, wenn die Arbeitgebermarke sich als unehrliche Fassade entpuppt: Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter merken schnell, wie der Arbeitsalltag in einer Organisation aussieht. Wer wegen „nettem Teamklima“ und „attraktiven Leistungspaketen“ einen Arbeitsplatz angetreten ist und beides nicht vorfindet, wird umso schneller den Weg in die innere oder tatsächliche Kündigung antreten. Gerade bei großen Arbeitgebern kann eine Kampagne zur Arbeitgebermarke, bei der Versprechen und Realität weit auseinander klaffen, zu Frustration, Zynismus und letztlich zu weniger Engagement führen.
Authentizität durch Kultur
Wie kann also eine Arbeitgebermarke sowohl attraktiv als auch authentisch gestaltet werden? Bei IMAP setzen wir bei der Kultur an! Mit unserem Blick für Organisations- und Führungskultur gehen wir in Organisationen, die wir begleiten, zunächst auf Ressourcensuche: Wie tickt die Organisation eigentlich, was macht sie besonders und spezifisch? Was sind die Muster in der Zusammenarbeit, von der die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagen: So sind wir und das ist auch gut so! Um dies zu erreichen, führen wir Interviews mit Multiplikatoren in der Organisation durch, wir befähigen Führungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihre Kultur zu reflektieren und führen Umfragen durch, die aussagekräftige Ergebnisse produzieren. Unsere Kulturdiagnose hilft dabei, auf einer tieferen Ebene zu verstehen, was das Besondere einer Organisation ist und diese Besonderheit auch nach außen zu tragen.
Kritische Stimmen konstruktiv nutzen!
Dabei kann man den Prozess auch nutzen, um kritische Stimmen konstruktiv zu nutzen: Natürlich gibt es in jeder Organisation auch Aspekte, die nicht geeignet sind, attraktiv nach außen zu wirken oder Identifikation nach innen zu stärken. Das mag die veraltete IT oder ein rauer Umgangston zwischen Abteilungen sein. All dies muss nicht Bestandteil der Außendarstellung werden, aber zu einer authentischen Arbeitgebermarke gehört es dazu, diese Aspekte zu kennen und daran zu arbeiten. Seien Sie sich sicher: Die bestehende Mitarbeiterschaft kennt diese Aspekte sowieso und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen sie schnell kennen.
Die Zukunft mit der Gegenwart verbinden!
Wir verbinden daher in unserer Kulturanalyse die Schätze der Gegenwart mit einer starken Vision für die Zukunft. Dabei benutzen wir gerne das Bild eines Segelschiffs für die Arbeitgebermarke:
- Das Schiff hat einen Rumpf, der die wichtigsten Werte der Gegenwart enthält. Diese sollen auch in Zukunft beibehalten werden.
- Das Schiff hat einen Anker von Werten, die zukünftig eine geringere Rolle spielen müssen. Damit das Schiff in voller Fahrt weiterfahren kann, müssen diese Werte geschwächt werden.
- Das Schiff enthält ein Segel, in dem sich Werte sammeln, die zukünftig eine (noch) stärkere Rolle spielen sollen.
Mit diesem Bild haben Organisationen alle notwendigen Bestandteile einer Arbeitgebermarke, die sowohl das Wichtigste der Gegenwart, als auch eine Vision der Zukunft enthält. Auf dieser Grundlage lassen sich auf der einen Seite Kampagnen starten und Bewerbungsgespräche führen, um die eigene Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen, auf der anderen Seite Prozesse der Organisationsentwicklung anstoßen, um langfristig Zufriedenheit und Bindung in der eigenen Organisation zu stärken.