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Was kommt unter der neuen Bundesregierung auf die Behörden zu?

01.07.2025

Die vergangenen Wochen waren in Deutschland geprägt vom Amtsantritt der neuen Bundesregierung. Solche Umbruchphasen sind nicht nur für die Hauptstadtpresse eine aufregende Zeit: Für Bundesbehörden sind Regierungswechsel gleich aus mehreren Perspektiven zentrale Ereignisse. Neben den Leitlinien für die inhaltliche Arbeit kündigen sich häufig auch Neuerungen für die Organisation der Bundesverwaltung an. Im Kabinett Merz steht dieser Aspekt vielleicht sogar stärker im Fokus als in jeder vorherigen Bundesregierung, so gibt es etwa ein eigenes Ministerium für die Verwaltungsdigitalisierung und –modernisierung.

Als Organisationsberatung für die öffentliche Verwaltung schauen wir mit einem besonderen Augenmerk auf die anstehenden Reformen. Damit Ihre Behörde sich gut auf diese vorbereiten kann, haben wir den Koalitionsvertrag aus organisationsentwicklerischer Perspektive analysiert. Wir stellen Ihnen die Top-Themen vor und geben Tipps, wie Sie damit umgehen können. 

 Robin Dewald

Robin Dewald

Senior Consultant

dewald@imap-institut.de

+49 (0) 211 513 69 73 - 21

Projekte

Transformationsimpulse aus dem neuen Koalitionsvertrag

 

  • Bürokratieabbau
    Das Thema Bürokratieabbau ist zwar ein Dauerbrenner unter den politischen Schlagworten, doch diesmal stehen die Zeichen gut, dass die Bundesregierung es mit ihren Ambitionen ernst meint. So soll es ein Bürokratieabbauziel von 25 % geben, auf das jedes Ressort einzahlen muss. Neben der politischen Bürokratie durch Gesetze und Verordnungen gibt es auch innerhalb der Behörden viel Potenzial für schlankere Abläufe - definitiv ein zentrales Thema für die Organisationsentwicklung.

  • Bündelung von Ämtern und Einheiten
    Neben Verschlankungen in den Prozessen kündigen sich auch aufbaustrukturelle Reformen an. Die Regierung plant, die Zahl der Bundesbehörden durch Zusammenlegungen zu reduzieren. Auch sollen Service-Einheiten für querschnittliche Aufgaben wie Personal oder IT übergreifend gebündelt werden.

  • Moderne Führung und Kultur
    Auch einen Kulturwandel in der Verwaltung hat die Bundesregierung sich auf die Fahne geschrieben, insbesondere in Bezug auf das Führungsverständnis. Wertschätzung, zielorientierte Führung und das Ausschöpfen von Handlungsspielräumen stehen im Fokus. Dafür wird es Programme zur Führungskräfteentwicklung brauchen.

  • Übergreifende Zusammenarbeit
    Die Regierung möchte weg von einem Denken in Einzelressorts und hin zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise. Dafür sollen unter anderem ministeriumsübergreifende Projektteams gestärkt werden. Auch im Führungsverständnis soll das ressortübergreifende Denken verankert werden.

  • Flexibleres Personalmanagement
    Um den öffentlichen Dienst attraktiver und flexibler zu machen, ist eine Reihe von Neuerungen geplant: Laufbahnwechsel werden vereinfacht, Quereinstiege abseits juristischer Ausbildungen ermöglicht und Vergütungen leistungsorientierter gestaltet. Im Fokus steht die Gewinnung verwaltungsexterner Fachkräfte. Auch flexiblere Arbeitszeiten und Führung in Teilzeit sollen zur Attraktivität beitragen.

Was bedeutet das für die Praxis?

Die im Koalitionsvertrag skizzierten Vorhaben markieren deutliche Transformationsimpulse für die öffentliche Verwaltung – mit weitreichenden Auswirkungen auf Strukturen, Prozesse, Führung und Kultur. Doch wie lassen sich diese Vorhaben konkret umsetzen? Welche Herausforderungen stellen sich dabei – und wo kann Organisationsentwicklung gezielt ansetzen?

Mit unserem Blick auf das Beispiel „Bündelung von Ämtern und Einheiten“ zeigen wir exemplarisch, worauf es dabei ankommt:

 

Lösungsansatz am Beispiel Bündelung von Ämtern und Einheiten

Hinter dem Impuls, Ämter und Einheiten zu bündeln, verbirgt sich eine große Herausforderung: Zusammenlegungen sind Änderungen am Organisationsmodell, am Zuschnitt von Teams und an Verantwortlichkeiten, also tiefgehende Eingriffe ins System. Sie müssen auf der Sachebene gut durchdacht und gleichzeitig mit einer Change-Begleitung auf der sozial-psychologischen Ebene verbunden werden.

Zunächst ist es wichtig, dass durch die veränderten Strukturen Effizienzen gehoben  werden, ohne dass versehentlich neue kritische Schnittstellen entstehen. Das könnte beispielsweise passieren, wenn Aufgaben getrennt werden, die oberflächlich nicht direkt zusammenhängen, auf Detailebene aber aufeinander einzahlen. Bevor also lokale Optimierungen vorgenommen werden, sollte man die End-to-End Prozesse und die Auswirkungen im Gesamtzusammengang betrachten.

Gleichzeitig dürfen die psychologischen Auswirkungen von Organisationsveränderungen keinesfalls vergessen werden. In welchem Maße die Mitarbeitenden die Umstrukturierung mittragen, spielt eine enorme Rolle dabei, wie schnell und erfolgreich sie umgesetzt werden kann. Da die Sachebene je nach Zusammenlegung sehr individuell bearbeitet werden muss, gibt es für die sozial-psychologische Ebene einen gut eingeschliffenen Change-Ansatz, den wir Ihnen hier gerne vorstellen.

Grafische Darstellung des SCARF-Modells mit den 5 Grundbedürfnissen Status, Certainty, Autonomy, Relatedness und Fairness

Bedürfnisse und wie wir ihnen begegnen können

Das SCARF-Modell von David Rock beschreibt fünf soziale Faktoren, die die menschliche Motivation und das Verhalten in sozialen Interaktionen beeinflussen. Das Modell hilft uns, für den Fall einer Zusammenlegung von Ämtern oder Einheiten das Verhalten von Mitarbeitenden besser zu verstehen.

Status

Status bezieht sich auf das Gefühl der sozialen Rangordnung im Vergleich zu anderen. Menschen haben ein starkes Bedürfnis, ihren Status zu schützen und zu erhöhen, da Bedrohungen des Status zu Stress und negativen Reaktionen führen können. Bei Bündelungen kann das auf Führungskräfte zutreffen, die ihre Position verlieren, zum Beispiel weil Einheiten und Führungsspannen vergrößert werden.  Es ist entscheidend, mit solchen Situationen einfühlsam und strategisch zu umzugehen.

Certainty

Sicherheit bedeutet, Vorhersehbarkeit in der Umwelt zu haben. Menschen fühlen sich sicherer und weniger gestresst, wenn sie wissen, was in der Zukunft auf sie zukommt, und erleben Stress, wenn Überraschungen auftreten. Oft ist bei einer Umstrukturierung nicht von Beginn an klar, wie die neuen Strukturen aussehen werden, dadurch entstehen Unsicherheit und Ängste.

Autonomy

Autonomie bezieht sich auf das Gefühl, Kontrolle über das eigene Verhalten und Entscheidungen zu haben. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Autonomie bedroht wird, kann dies zu Frustration und Widerstand führen. Wenn ehemalige Abteilungen oder Referate Teil von größeren Konstrukten werden, kann das bedeuten, dass es weniger Freiheiten gibt und Mitarbeitende ihre Autonomie bedroht sehen.

Relatedness

Verbundenheit beschreibt das Gefühl, in sozialen Beziehungen akzeptiert und sicher zu sein. Ein Mangel an sozialer Verbindung oder das Gefühl von Isolation kann als Bedrohung empfunden werden und zu Stressreaktionen führen. Bei Umstrukturierungen zerbrechen möglicherweise gewachsene Sozialbeziehungen, weil Teamstrukturen neugestaltet werden.

Fairness

Gerechtigkeit bedeutet, dass Menschen die Wahrnehmung haben, dass Entscheidungen und Ressourcen fair verteilt werden. Ungerechtigkeit oder wahrgenommene Ungleichbehandlung führen zu negativen Emotionen und Konflikten. Häufig gibt es bei Zusammenlegungen ein Gefühl von Gewinnern und Verlierern, zum Beispiel, wenn eine Einheit das Gefühl hat, von der anderen “geschluckt” worden zu sein.

Um mit diesen Bedürfnissen umzugehen, braucht es eine gute Change-Begleitung und eine strategisch aufgesetzte, gezielte und fortlaufende Change-Kommunikation. Es kann nicht gänzlich verhindert werden, dass Status, Sicherheit oder Autonomie von einzelnen Personen oder Einheiten im Rahmen von Zusammenlegungen beeinträchtigt werden – aber durch Transparenz, Mitgestaltungsmöglichkeiten und passende Interventionen können Widerstände deutlich reduziert werden. Dabei ist es entscheidend, Mitarbeitenden das Gefühl zu vermitteln, dass das bisher Geleistete auch in der veränderten Struktur respektiert wird.

Was die Verbundenheit (relatedness) angeht, ist es hilfreich, in der neuen Struktur baldmöglichst neue Verbundenheit zu schaffen. Die zusammengelegten Ämter oder Bereiche sollten sich durch gemeinsame Formate kennenlernen, Ziele erarbeiten und dadurch ein gemeinsames Selbstverständnis entwickeln. Das verhindert, dass später viel Kraft im Gegeneinander verloren geht. Um dem Bedürfnis nach Fairness zu begegnen, ist es wichtig, dass sowohl in den Führungspositionen als auch im durchführenden Change-Team die zusammengelegten Bereiche gleichermaßen vertreten sind. Nur so sind alle Perspektiven vorhanden und die Mitarbeitenden sehen ihre Interessen vertreten. 

Die geplanten Umstrukturierungen in der öffentlichen Verwaltung durch die neue Bundesregierung bieten großes Potenzial für Effizienzsteigerungen und eine modernere Arbeitsweise. Doch der Erfolg dieser Maßnahmen wird maßgeblich davon abhängen, ob die strukturellen Veränderungen mit einer gezielten Change-Begleitung einhergehen.

Eine systemische Herangehensweise sorgt dafür, dass es zu keinen Insellösungen kommt, sondern Veränderungen auch im Gesamtkontext funktionieren. Durch Transparenz, Mitgestaltungsmöglichkeiten und eine aktive Einbindung der Mitarbeitenden können Widerstände minimiert und die Akzeptanz für den Wandel geschaffen werden, um eine langfristig erfolgreiche Transformation zu gewährleisten.